Nach der Krise ist vor der Krise
Nachdem wir im ersten Teil unserer Serie die direkten Brandbekämpfungsmaßnahmen in der Supply Chain am Beispiel von COVID-19 vorstellten, gehen wir im zweiten Teil darauf ein, welche Schlüsse Unternehmen aus der Krise ziehen und wie sie ihre Supply Chain mittelfristig krisenfester aufstellen können. Gerade die aktuelle Situation zeigt, dass die Unternehmen, die in Präventionsmaßnahmen „investieren“, eine deutlich robustere Supply Chain Performance an den Tag legen.
Nachdem wir bereits bei kurzfristigen Maßnahmen auf Analogien aus der Brandbekämpfung zurückgegriffen haben, macht es Sinn dies auch auf die Prävention zu übertragen. Genau wie nach Bränden stellt sich auch nach Krisen die Frage, welche Maßnahmen Sinn machen, damit der nächste Brand bzw. die nächste Krise effizienter und effektiver bekämpft werden können.
Als Strukturhilfen nutzen wir wieder die vier grundsätzlichen Eckpfeiler erfolgreicher Brandbekämpfung:
- Alarmierung
- Ausbreitungsverhinderung
- Entzug Brennmaterial
- Aktives Löschen

Alarmierung – Implementierung von Frühindikatoren und Krisenszenarien
Im ersten Teil der Serie sind wir darauf eingegangen, dass es vor allem auf eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit ankommt, um einen Brand schnell zu löschen. Aus genau diesem Grund sind effiziente Frühwarnsysteme und vordefinierte Szenarien wichtig, denn sie ermöglichen eine schnelle Identifikation und Reaktion. Auch in der aktuellen COVID-19-Krise, gab es Frühindikatoren, die die Gefährlichkeit des Virus hätten erahnen lassen. Dennoch wurden die Unternehmen von den Auswirkungen überrascht. Genau dies gilt es zukünftig zu vermeiden.
Gute Frühwarnsysteme, auf der einen Seite, müssen, auf Basis von KPIs, Transparenz entlang der gesamten E2E Supply Chain herstellen. Ziel ist es auf Basis interner historischer Daten und aktueller Entwicklungen – möglichst real-life –Gefahrenpotentiale einzuschätzen und einzugrenzen (z.B. durch einen Control Tower Ansatz).
Der „Rückspiegel“ ist jedoch allein nur ein unzureichender Indikator. Zusätzlich werden externe Datenquellen benötigt, die eine vorausschauende Risikoabschätzung ermöglichen. Hier können Wirtschaftsindikatoren (Konsumklimaindex, Kapazitätsauslastung, etc.), Logistikindikatoren (Frachtaufkommen, Verkehrsintensität, etc.) oder Indikatoren für Naturphänomene (Wetter, Klima, etc.) und/oder Gesundheit (Risikogebiete, Reisewarnungen, etc.) eine entscheidende Rolle spielen. Welches Set-up für Ihr individuelles Geschäftsmodel das Richtige ist, hängt vor allem von Ihrem regionalen Footprint sowie der Komplexität Ihres Geschäftsmodells und der Supply Chain ab.
Gute Krisenszenarien, auf der anderen Seite, stellen sicher, dass klare Verantwortlichkeiten definiert sind und Kompetenz- sowie Zuständigkeitsgerangel vermieden und wertvolle Zeit gespart wird. Zudem gehören zu einer Best-in-Class Aufstellung geübte Standardprozesse der Krisenbewältigung. Ohne regelmäßiges Testen, Üben und Weiterentwickeln, wird auch die beste „Feuerwehr“ nicht ihr volles Potential in Krisen abrufen. Standardprozesse geben Sicherheit und ermöglichen krisengerechtes handeln abhängig vom Krisentyp (wie z.B. Finanzkrisen, Naturkatastrophen, Handelskonflikte, etc.).
Ausbreitungsverhinderung – Aufbau von Brandschutztüren und Brandschneisen
Die Ausbreitung eines Brandes kann verhindert bzw. verlangsamt werden, indem gefährdete Bereiche z.B. durch Brandschneisen besonders geschützt werden. Analog sollten in der Supply Chain präventive Maßnahmen getroffen werden, die verhindern, dass sich Schmerzpunkte auf angrenzende Prozessschritte ausbreiten.
Eine Möglichkeit krisenbedingte Ausfälle zu kompensieren, besteht z.B. in der Diversifikation des Lieferantenportfolios. Ziel ist es zu gewährleisten, dass sich Nachschubprobleme nicht auf die angrenzenden Prozessschritte auswirken. Eine weitere besteht in der Schaffung der richtigen Balance aus Near- und Far-Shoring, die eine Vorbeugung gegenüber regional- bzw. länderspezifischen Krisen und mehr Flexibilität hinsichtlich Lieferzeiten ermöglicht. Außerdem kann das Vorhalten / Multiplizieren benötigter Fähigkeitsprofile von Lieferanten die Handlungsfähigkeit erhöhen, auch wenn dies in Einzelfällen zu Lasten von Volumenkonzentration und somit höheren Stückkosten führt.
Wie immer gilt es die richtige individuelle Abwägung je Unternehmen und Geschäftsmodell zu treffen. Die aktuelle Krise ist voll von Händlern, die mit aller Macht Volumina re-allokierten, als die Krise ihre Sourcingregionen traf – als sich jedoch die Krise auf die Absatzmärkte auswirkte und nach Europa schwappte, wurde das vermeintlich gelöste Problem plötzlich zum eigentlichen Teil des Problems.
Entzug Brennmaterial – Stärkung der Widerstandsfähigkeit
Brandprävention bedeutet auch Schwachpunkte zu identifizieren und zu entfernen. Um in einer potenziellen Supply-Chain-Krise möglichst wenig leicht brennbares Material zu liefern, gilt es risikoreiche bzw. leicht anfällige Prozessschritte frühzeitig zu identifizieren, zu eliminieren oder zu stärken.
Am Beispiel der Lieferantenauswahl zeigt die aktuelle Krise, dass mehr Flexibilität und höhere Robustheit genauso entscheidende Faktoren darstellen können, wie die klassische Zeit-Kosten- Qualitätsoptimierung. Dabei kann das Resultat durchaus sein, dass leicht höhere Kosten bei mehr Flexibilität und Robustheit den besseren Trade-Off für eine widerstandsfähige Supply Chain bieten.
Eine weitere wichtige Abwägung gilt es bei dem klassischen Trade-Off zwischen Automatisierung und manueller Arbeit, z.B. im Lager, zu treffen. Viele heutige Infrastrukturen folgen noch der „historischen Wahrheit”, dass Automatisierung für niedrigere Kosten und manuelle Arbeit für mehr Flexibilität steht. Dies kann sich jedoch in Zeiten von niedriger Personalverfügbarkeit und technologischen Quantensprüngen ins Gegenteil verkehren. Auf Grund immer stärkerer Nachfrage-Peaks, im positiven (z.B. Black Friday, Cyber Monday), wie im negativen Sinne (aktuelle Krise) und immer volatilerem Konsumentenverhalten, gilt es Skalierbarkeit und Flexibilität, bei effizienten Kostenstrukturen, im Auge zu behalten. Althergebrachte Dogmen unter Berücksichtigung des zukünftigen Ziel -Geschäftsmodells müssen hinterfragt werden. All dies sollte mit Augenmaß und dem Fokus auf Resilienz in der Supply Chain erfolgen.
Aktives Löschen – Aufbau von flexiblen Ressourcen
Um Brände effizient zu löschen, müssen die richtigen Personalressourcen und finanziellen Möglichkeiten / Budgets zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Dementsprechend muss die Einsatzfähigkeit der eigenen Mitarbeiter sichergestellt werden, indem die Arbeitsplatz- und Arbeitszeitallokation so flexibel gestaltet ist, dass diese dosierbar und zeitpunktgerecht einsetzbar ist. Das Exekutieren der erstellten Einsatzpläne und das auf die Alarmierung folgende Handeln muss mit den eigenen Mitarbeitern regelmäßig besprochen und die einzelnen Szenarien erprobt werden. Flexibilität ist insb. auch bei Verträgen mit Partnerunternehmen oberstes Gebot, um in Krisen eine variable Kostenstruktur sowie schnellere Reaktionsfähigkeit zu gewährleisten.
Ein weiteres Hilfsmittel zur schnellen Reaktion sind Notfallbudgets. Diese stellen sicher, dass in Zeiten von Krisen Handlungsfähigkeit und Flexibilität gewährleitet ist und Ressourcenengpässe schnell gelöst werden können. Dies ermöglicht, dass auch kurzfristig beispielsweise Transportwege verändert, Lagerkapazitäten an- bzw. abgemietet, Personal beschafft und Bestellungen gedoppelt bzw. kostenpflichtig storniert werden können. All dies erfolgt mit dem Ziel die Lieferkette zu stabilisieren, und E2E-Funktionalität in Zeiten der Krise sicherzustellen.
Die Richtigen Fragen nach der Krise
Die richtigen Präventionsmaßnahmen bezogen auf die vier Löschansätze in Ihrem Unternehmen zu definieren und Ihre Supply Chain krisenfester zu machen, ist keine einfache Aufgabe. Es ist wichtig die passende Balance zwischen Zeit-, Kosten- und Qualitätsanforderungen, sowie Flexibilität und Robustheit zu finden. All dies mit dem Ziel die E2E-Leistungsfähigkeit sicherzustellen und auf die einzelnen Supply Chain Elemente abzustimmen.
Wir können Sie bei der Konzeption, der auf Sie passenden Präventionsstrategie, unterstützen. Dabei gehen wir die Brandbekämpfungsschritte mit ihnen durch – unter anderem mit folgenden Fragestellungen:
- Wie leistungsfähig muss die Supply Chain sein, um das Geschäftsmodel in Zukunft optimal zu unterstützen?
- Wie viel Spielraum will man sich entlang der Leistungsanforderungen erlauben? Was ist dabei die richtige Balance für die Erfüllung des Leistungsversprechens?
- Wie beeinflussen Präventionsmaßnahmen die einzelnen Supply Chain Komponenten sowie den E2E Prozess?
- Wie sollten die Maßnahmen priorisiert werden? Was sind hierbei Quick Wins, unabhängige operative Hebel und konzeptionelle Werttreiber?
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