In den ersten drei Wochen des Lockdowns ist ein großer Anteil des Konsums in den Onlinekanal abgewandert, in vielen Segmenten die einzige verbleibende Möglichkeit, noch einzukaufen. Während diese Entwicklung eCommerce-geprägte Einzelhandelsbereiche wie Bekleidung oder Consumer Electronics nicht vor Herausforderungen stellt, kommen viele Händler in bislang überwiegend stationär geprägten Segmenten online an ihre Kapazitätsgrenzen. Wohl kaum ein Lebensmittelhändler oder Drogeriemarkt wird zum Jahreswechsel einen Onlineshare von 10% bis 15% erwartet habe. Dabei bleibt trotz dieser Werte sogar noch signifikantes Onlinepotential ungenutzt: Zusätzlich zu den Online-Kunden, haben in den letzten Tagen 16% bis 18% der Deutschen darüber nachgedacht, Lebensmittel und Drogerieartikel online zu kaufen.

Doch wo ein Wille ist, ist offensichtlich noch nicht immer ein Weg: Im LEH scheiterten über ein Drittel der Onlinekäufe an zu langen Lieferzeiten, aber auch fehlende Verfügbarkeit wird von vielen Befragten genannt (20%). Bei stärker ausgebauten Onlineressourcen wäre im LEH vermutlich ein Onlineanteil von über 15% realistisch gewesen. Diese Herausforderung trifft aber nicht allein den LEH: Auch für Drogerieartikel und Getränke sind aktuell lange Lieferzeiten der Hauptgrund, nicht online einzukaufen.

Über Wochen ausgebuchte Lieferfenster im LEH und Lieferzeiten von sieben bis acht Tagen bei einigen Drogeriehändlern werden sich nicht über Nacht beheben lassen. Auch Angebote wie PicNics Lebensmittelbelieferung für Ärzte und Pflegekräfte an Sonntagen werden - unabhängig von der schönen Geste - die Lieferengpässe kurzfristig nicht lösen können. Dies führt die Onlinespieler vor einen bis zur Corona-Krise undenkbaren Zielkonflikt: Welcher Kunde soll priorisiert beliefert werden? Wie gelingt der Balanceakt zwischen der Umsatzoptimierung existierender Kunden und der Neukundengewinnung? Nie war die Affinität der Deutschen größer, Lebensmittel online zu kaufen. Und nur positive Kauferlebnisse, zu denen auch Lieferfenster und Verfügbarkeit gehören, können Kunden auch für die Zeit nach dem Shutdown binden. Gleichzeitig will jeder Händler verständlicherweise nicht die relativ kleine, aber treue Stammkundenbasis verärgern.
Die Händler müssen also abwägen, wie viel Umsatz und Zufriedenheit von (lukrativen) Stammkunden sie investieren wollen, um Neukunden zu gewinnen. Richtig gespielt kann die Corona-Krise so dem Online-LEH Rückenwind geben, da sich hier aktuell jeder zweite Neukunde vorstellen kann auch nach der Krise weiter online einzukaufen.
Jeder zehnte Deutsche über 60 denkt aktuell darüber nach, Lebensmittel online zu shoppen. Hier kann die Suche vieler älterer Menschen nach persönlichem Kontakt gezielt zur Kundenbindung genutzt werden. Neben dem Komfort, schwere Lebensmittel bis in die Wohnung getragen zu bekommen, bietet jeder Onlineeinkauf eine Gesprächsmöglichkeit mit dem Lieferanten, soziale Interaktion, die aufgrund des Zeitdrucks an der Kasse im stationären Geschäft häufig nicht mehr möglich ist. Anekdoten über LEH-Onlinekunden, die ihrem Lieferanten den Schlüssel unter die Fußmatte legen, damit er kurz die Einkäufe in die Küche stellte, auch wenn niemand Zuhause ist, verdeutlichen das Potential.
Mit der schnellen Aktivierung von Zusatzkapazitäten, z.B. durch die Kooperation mit Zustellern aktuell geschlossener Branchen, und der richtigen Balance zwischen Bestandskundeoptimierung und Neukundengewinnung kann der Online-LEH das Kaufverhalten vieler Deutschen über mehrere Wochen nachhaltig verändern. Wenn dann das Kundenerlebnis stimmt, werden die Neukunden nach der Krise nicht in alte Muster zurückkehren und können langfristig an den Onlinekanal gebunden werden.
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Zur Methodik: Zusammen mit unserem Kooperationspartner Innofact befragen wir jede Woche gut 1.000 bevölkerungsrepräsentativ ausgewählte Konsumenten im Alter zwischen 18 und 79 zu Ihrem aktuellen Konsumverhalten in der Krise.